Atlantiküberquerung

Letzte Tage auf Sal

Eine weitere Kastrationskampagne führten wir noch auf Sal durch, danach hieß es plötzlich: die Atlantiküberquerung steht an. Geht das jetzt nicht doch ein bisschen schnell alles? Meine Wohnung musste zur Vermietung hergerichtet werden, ich wollte noch etwas Zeit mit meinen Freunden vor Ort verbringen und es gab viele Abschiede. Ich bin ja nicht aus der Welt, aber ein paar Jahre werde ich nicht auf die Kapverden zurückkehren, schon ein befremdlicher Gedanke. Ameline kam an Bord, wir hatten zuvor ein paar Mal telefoniert und sie wird eine meiner beiden Crewmitglieder für die Atlantiküberquerung sein. 

Ein Fresspaket zum Abschied-die Katze durfte ich nicht mitnehmen!

Zu meiner großen Freude hatte ich Kirsten Neuschäfer in Palmeira kennengelernt, sie war mit ihrer MINNEHAHA, die sie zur Golden Globe Race einmal nonstop um die Welt gesegelt hat, auf dem Weg zurück in ihre Heimat Südafrika. 

Auf Sal lernte ich Kirsten kennen.
Sie half uns sogar noch bei unserer Kastrationskampagne

Mit neuer Crew nach Sao Nicolau

Zusammen segelten wir nach Sao Nicolau, gingen dort wandern, verbrachten schöne Abende im Cockpit und segelten schließlich nach Mindelo rüber. Auf Sao Nicolau stieg dann auch die dritte im Bunde dazu: Alex aus Frankreich. 

Danke für die schöne Zeit mit dir!
Die Crew ist komplett
Ausflug auf Sao Nicolau (Ton an)
Zusammen erkunden wir die Insel
Esel
Natürliche Pools an der Westküste

Zurück in der Zivilisation: Mindelo

An die Marina in Mindelo musste ich mich erst einmal gewöhnen, Reizüberflutung nennt man das. So viele Menschen und so viele Boote, alle mehr oder weniger bereit, den Atlantik zu überqueren. Hier traf ich auch Freunde wieder, die ich auf La Palma kennengelernt hatte sowie Kai mit seiner SAILAWAY und Antonio von der NO LIMIT, neben der ich schon auf Boavista und in Palmeira gelegen hatte. 

An so viel Trubel muss ich mich erstmal gewöhnen

Wir bereiteten das Schiff auf die Atlantiküberquerung vor: Putzen, Waschen, Wasser tanken und natürlich Einkaufen. Dienstag sollte es losgehen, da am Montag sehr starker Wind vorausgesagt war. Am Sonntag ging ich noch einmal in den Mast, um das Rigg auf Herz und Nieren zu prüfen-und das war auch gut so! Gerade, als ich von der Mastspitze wieder herunterklettern wollte, fiel mein Blick aufs Achterstag und ich traute meinen Augen nicht. Da war tatsächlich eine Kardeele gebrochen, von unten nicht sichtbar. 

Beim Riggcheck entdecke ich ein Problem am Achterstag
Ich baue das Achterstag ab
Das hätte schief gehen können 🙈

Der Schreck kurz vor der Abfahrt

Und nun? Wo bekomme ich so schnell Ersatz her? Ich sah mich schon Weihnachten in Mindelo verbringen. Doch ein Gespräch mit dem deutschen Besitzer der Marina gab mir Hoffnung: „Kein Problem, wenn du mir dein Achterstag morgen früh bringst, pressen wir dir am selben Tag ein neues und du kannst Dienstag wie geplant los.“ Echt jetzt? Und das auf den Kapverden? Ich wagte noch nicht so recht, daran zu glauben. Doch tatsächlich, am Sonntag bauten wir mein Achterstag aus und am Montagnachmittag das neue ein-vielen Dank an Antonio, Linus und Kai, die mich dafür in den Mast gehüsert haben!

Dienstagmorgen hieß es also ausklarieren, auf dem Markt Obst und Gemüse einkaufen und dann waren wir irgendwann abfahrbereit. Etwas unwirklich, dieser Moment, in dem die Leinen gelöst werden und ein ca. 14 Jahre alter Traum plötzlich in Erfüllung geht. 

Wir sind startklar
Tschüss Santo Antao

Wir starten zur Atlantiküberquerung

Bis hierher war alles bekannt bzw. alles Europa – ab jetzt ist Neuland. 

Einmal draußen, waren wir alle sehr emotional unterwegs und es floss die ein oder andere Träne. Dazu war es Amelines zwanzigster Geburtstag, und wer kann schon von sich behaupten, dass er am zwanzigsten Geburtstag zu einer Atlantiküberquerung aufgebrochen ist!

Die Crew ist happy

Zusätzlich zur Crew waren übrigens zwei Basilikumpflanzen mit an Bord, die mir gute Freunde auf Sal noch eingepflanzt haben. Angeblich überlebt kein Basilikum eine Atlantiküberquerung. Ich habe jedoch auf vorangegangenen Segeltouren festgestellt, daß Basilikum die einzige Pflanze ist, die bei mir überhaupt irgendwas überlebt. Insofern: Challenge accepted!

Zwischendurch gab’s frisches Brot

Die ersten Tage gestalteten sich noch recht schaukelig. Aufgrund des starken Windes um die Inseln fuhren wir zunächst nur mit der Fock, setzten das Passatsegel erst am nächsten Morgen. Die Welle kam noch nicht ganz aus der richtigen Richtung und schaukelte uns ordentlich durch, aber das machte niemandem etwas aus. Wir waren unterwegs, an Steuerbord ein weißes Segel und an Backbord das schöne, tiefblaue Passatsegel, das ich so liebe, weil es wie der Himmel ist und wie der tiefblaue Ozean. 

Die Nachtwachen teilten wir uns auf, jeder drei Stunden. Das hat bei drei Personen den Vorteil, daß sich die Wachen verschieben und jeder mal zu unterschiedlichen Zeiten der Nacht dran ist. 

Delfine begleiten uns

Was macht man den ganzen Tag auf dem Atlantik? Viel lesen, viel sonnen und besonders viel meditativ aufs Wasser schauen. Die Angel kam zum Einsatz und zweimal während der Fahrt ging uns ein großer Mahi Mahi an den Haken. 

Angelglück

Ich las das Buch „Long Sail to Haiti”, in dem es unter anderem um eine Atlantiküberquerung 1961 geht. Alles, was der Autor beschreibt in seinem Buch, erlebte ich hautnah im selben Moment mit. Delfine, die mit dem Boot mitschwammen, die Tropicbirds und die Fregattvögel, die irgendwann auftauchten. Einmal kamen Pilotwale, sie sind deutlich größer als Delfine und bewegen sich majestätischer. Man konnte sogar hören, wie sie untereinander kommunizieren! 

Die Nachtschicht beginnt
Basilikum bei Start der Reise
Sonnenaufgang über dem Atlantik

Die Tage kommen, die Tage gehen. Die ersten Nächte hatten wir einen wunderschönen, klaren Sternenhimmel und immer wieder konnte man Sternschnuppen beobachten. Tagsüber war es angenehm warm. Geduscht wurde mit dem Eimer, gegen Ende der Überfahrt auch mehrmals täglich, einfach nur zum Abkühlen. 

Mehrmals täglich gab es bucketshowers zum Abkühlen

Die Tageszeiten verschoben sich. Wer zu Beginn die Morgenschicht von 4h-7h (Kapverdenzeit) hatte, der konnte den Sonnenaufgang beobachten. Je mehr wir nach Westen fuhren, desto später ging die Sonne auf – zunächst gegen 8h und dann erst gegen 9h. 

Andere Schiffe sahen wir kaum. An Tag 2 hatten wir 5 Seemeilen vor uns die VAQUITA auf dem AIS, die war aber relativ schnell wieder weg. Zweimal war die SAILAWAY von Kai in der Nähe und wir konnten uns über VHF unterhalten. Schön, eine vertraute Stimme mitten auf dem Atlantik zu hören. 

Atlantikstimmung
Passatwölkchen säumen unseren Weg

Vier Tage vor Ankunft hatten wir die ersten Regenschauer. Warmer, tropischer Regen, den wir für eine Abkühlung nutzten. In den folgenden Tagen nahmen die Squalls zu, einer jagte den nächsten und teilweise stand, wer immer auch Schicht hatte, im Dauerregen. Die Böen nahmen auf 30 Knoten zu und wir waren von einer einzigen, riesigen Regenfront umgeben, die kein Ende mehr nahm. Am letzten Tag bargen wir das Passatsegel, um unsere Fahrt etwas zu verlangsamen und nicht im Dunkeln auf Tobago anzukommen. 

In den letzten Tagen setzte Regen ein
Ein Squall jagt den nächsten

Ankunft im Paradies?

Die letzte Nacht und der letzte Vormittag bestanden aus der genannten, riesigen Regenfront mit heftigen Windböen. Und das soll jetzt die Karibik sein?? Von wegen „Land in Sicht“, die Insel haben wir erst drei Seemeilen vor der Küste überhaupt sehen können, so dicht war die graue Suppe. Dann drehte der Wind und wir konnten die Pirates Bay nicht mehr anliegen. Am Ende startete ich den Motor für die letzten drei Stunden und mühsam kamen wir der Bucht näher. 

Um 11h vormittags machten wir (im Regen) an einer Muringboje fest – neben der VAQUITA (die wir nur vom AIS kannten) und der YALKA (die uns in Mindelo gegenüber lagen). Die beiden Boote sind eine Stunde vor uns reingekommen. VAQUITA war kurz nach uns gestartet und die YALKA, eine 50 Fuß X-Yacht, drei Tage nach uns.

Angekommen im Paradies

Es ist faszinierend, wie man 16 Tage lang nebeneinander hergesegelt ist, ohne zu wissen, dass es das andere Boot gibt. Alles, was weiter als 5-7 Seemeilen entfernt ist, haben wir auf dem AIS nicht sehen können (außer die großen Frachtschiffe). 

Fazit: 2269 Seemeilen in 16 Tagen, auf die Stunde genau. Das ist eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 5,9 Knoten – wir können uns nicht beschweren. Ich bin sehr froh, dass meine GITANA so schnell unterwegs ist und habe bisher noch keinen Tag bereut, dass ich mich für sie entschieden habe.

Am nächsten Tag klarte der Himmel endlich auf und wir konnten das kleine Paradies sehen, in dem wir angekommen sind. Ein großer, grüner Dschungel mit kleinen Sandstränden überall. In der Bucht liegen nicht mehr als 20 Boote, es ist familiär und überschaubar. Die Freundlichkeit der Locals ist unbeschreiblich, jeder grüßt freundlich und winkt und ist hilfsbereit. Nun haben wir Zeit, die Insel zu erkunden und die Erlebnisse der letzten zwei Wochen sacken zu lassen. 

Und das Basilikum? Das großblättrige hatte sich irgendeinen Pilz oder Parasiten eingefangen, ich konnte es soweit behandeln, dass es überlebt hat. Und das kleinblättrige? Das ist auf mindestens doppelte Größe gewachsen und blüht wie verrückt, ich komme mit dem Blüten-abknipsen gar nicht hinterher 😄

Mit etwas Liebe…
…überlebt auch ein Basilikum

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Kommentare

8 Antworten zu „Atlantiküberquerung“

  1. Avatar von Klenke Urte
    Klenke Urte

    Liebe Marga, ich gratuliere euch !!!!
    Und freue mich, dich weiter begleiten zu dürfen…
    Alles Gute
    Urte

  2. Avatar von Barbara Kern
    Barbara Kern

    Ein wunderbarer Reisebericht! Danke! Liebe Grüße aus Surinam
    Barbara und Thomas von SY Plan B

  3. Avatar von Gero
    Gero

    da fiebert man richtig mit…!
    vielen Dank für den schönen Bericht.
    Wir haben Weihnachten in Markershausen in trüber Nebelsuppe überlebt, aber Familie hat auch was. Heute gibt’s Wild zum Abendbrot mit allen vieren mit Kind und Kegel vereint + Lutz, die Männer kochen und glühen dabei mit Rotwein vor, und die Frauen geben ungefragte Ratschläge…
    Euch weiterhin viel Freude, und kommt bitte heil und unversehrt zurück!

  4. Avatar von Noppel
    Noppel

    Hallo Marga, gratuliere für den tollen Reisebericht und das Ihr gut angekommen seid und Euch keine Piraten oder Orcas das Leben schwer gemacht haben,ich wünsche Euch einen guten Rutsch ins neue Jahr und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel
    Liebe Grüße Noppel

  5. Avatar von Heino S.
    Heino S.

    Congrat, Marga and Crew !
    Enjoy the whole adventure…….
    I followed your trip since ……
    Best wishes for the forthcoming 2025
    Best regards
    from:
    H.
    Master of
    SY Bijou (currently in winter storage)
    and a part of Sonni‘s Life 🙂

  6. Avatar von Ina
    Ina

    Liebe Marga, ein toller Reisebericht. Ich folge deinen Berichten gerne..
    Viel Spaß und gute Reise weiterhin!

  7. Avatar von Silke Schlereth
    Silke Schlereth

    Liebe Marga,
    es ist toll, dass alles so gut geklappt hat. Es war auch für den “ Betrachter“ aufregend die Überfahrt zu verfolgen.
    Da habt ihr ja wirklich ein tolles Fleckchen der Erde erreicht.
    Wir sind gespannt wie es weiter geht und evtl. bis bald auf Grenada.
    Wir wünschen euch einen guten Rutsch ins Jahr 2025
    Silke und Michael

  8. Avatar von barbara schimanski
    barbara schimanski

    wie freue ich mich, daß Dir gelungen ist, wovon Du lange geträumt hast!!! Dein ausführlicher Bericht,incl. Kastration und Basilikum, hat mich richtig aufgemuntert. Jetzt kann ich Dir nur noch ein „tolles Jahr 2025“ wünschen! Pass auf Dich auf – das sagen alle Mütter zu ihren Töchtern. Ich werde die Deine am Sylvesterabend bei Trompetenmusik und Böllern im Michel sehen! Viele liebe Grüße über den Atlantik, BARA

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