Ich habe länger nichts von mir hören lassen, auf keinem der Kanäle. Ich war beschäftigt. Und genervt. Und sehr frustriert. Aber von vorn.
Nachdem klar war, dass die Tour in Leeuwarden erstmal auf unbestimmte Zeit unterbrochen sein würde, machte Birgit sich auf den Heimweg nach Hamburg. Das Warten hätte in diesem Fall einfach keinen Sinn ergeben. Ich bestellte also einen neuen Deckel für mein Kühlwassergefäß, nachdem ich zuvor vier Stunden durch die Stadt gelaufen bin, von einem Ende ans andere, von Schiffsausrüster zu Autohändler, um irgendwo in Leeuwarden so einen Deckel aufzutreiben – erfolglos.
Dazu bestellte ich noch zwei neue Instrumente zur Temperaturüberwachung des Motors, damit so eine Katastrophe nicht wieder vorkommt. Außerdem musste eine neue Zylinderkopfdichtung her – auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt noch den abwegigen Gedanken hegte, dass die Probleme nur am Deckel liegen würden. Aber dann hätte ich zumindest eine Ersatzdichtung an Bord, man weiß ja nie, wann man die mal braucht. Auf irgendeinem Pazifikatoll zum Beispiel.
Die Zeit bis zur Ankunft der Ersatzteile nutzte ich dafür, endlich meine neuen Obst- und Gemüsenetze zu bauen. Die jetzigen hatte ich aus überschüssigem Relingsnetz gemacht, die Maschen waren dadurch allerdings recht groß und besonders empfindliches Gemüse bekommt dadurch leichter Druckstellen. Bei den nun engmaschigeren Netzen ist die Druckverteilung besser.
Nach Ankunft des neuen Druckverschlusses machte ich einen Probestart, aber leider änderte das an der Gesamtsituation nichts. Das Kühlwasser hatte schnell einen viel zu hohen Druck und sobald ich den Deckel öffnete, strömte mir ein halber Liter desselbigen entgegen. Es wurde immer klarer, dass wohl doch die Zylinderkopfdichtung Schaden genommen haben musste. Das erklärt sich auch logisch: Wenn Abgase über die defekte Dichtung ins Kühlwassersystem gelangen, steigt dort der Druck.
Ich biss also in den sauren Apfel und begann, den Zylinderkopf zum zweiten Mal auszubauen. Das erste Mal war ja glücklicherweise noch nicht lange her, so dass mir alles noch recht gut im Gedächtnis war. Es ist im Prinzip auch nichts anderes als eine Operation. Ich brauchte einige Stunden, bis ich zum Herzen kam und das sah dann tatsächlich nicht so hübsch aus. Und es roch auch sehr verbrannt. Ich konnte fühlen, wie glatt die Übergänge zwischen Kühlwassersystem und Brennkammern waren, bestimmt sind da Abgase durchgekommen. Ich baute die neue Zylinderkopfdichtung ein und schraubte am nächsten Tag den Motor wieder zusammen.
Beim Auseinanderbau fand ich noch ein mysteriöses Teil aus geschmolzenem Plastik, welches eins der Kupferrohre verlegte. Wahrscheinlich war etwas Plastik vom Kühlwasserbehälter geschmolzen und hatte sich seinen Weg durch das Rohr gesucht, wo es am Ende hängenblieb.
Der Probestart war vielversprechend, ich ließ den Motor einige Zeit laufen. Das Kühlwasser blieb auf dem Stand, auf dem es bleiben sollte. Einzig neben den Einspritzdüsen drückte es etwas Kühlwasser heraus, dort wurden bei der Überhitzung wohl die O-Ringe geschädigt. Die müssen auf jeden Fall noch gewechselt werden. An dieser Stelle schon mal vorab: Die O-Ringe sitzen außen auf Kupferhülsen, in denen wiederum die Einspritzdüsen sitzen. Um die O-Ringe zu wechseln müssen auch die Kupferhülsen gewechselt werden und dafür muss der Zylinderkopf runter…
Da ich in Leeuwarden keinen Mechaniker erreichen konnte, der Zeit hat, entschloss ich mich, meinen Weg langsam in Richtung Süden nach Grou fortzusetzen. Dort gibt es eine gute Volvo Penta Werkstatt. Ich startete am Morgen des 22.07. von Leeuwarden, man muss einmal außen um die Stadt herumfahren und auf dem Weg viele Brücken passieren. Tat das gut, sich endlich wieder in eine Richtung fortzubewegen. Ich hatte schon Lagerkoller und war wirklich frustriert, weil nichts so richtig vorwärts ging. Außerdem ärgerte ich mich maßlos, dass ich das Drama nicht eher bemerkt hatte.
Das Passieren der Brücken dauerte so seine Zeit aber der Motor lief. Nach einer halben Stunde und einigen Brücken später begann ich gerade wieder, Vertrauen in den Motor zu fassen, als der Überhitzungsalarm losging. Oh nein! Schnell den Motor ausgemacht, aber wo mach ich nun fest? Ah, da vorne vor der nächsten Brücke ist ein Wartesteg für Sportboote, achterlicher Wind trieb mich zum Glück darauf zu. Mit Hilfe meines Bugstrahlruders ließ ich mich in Richtung der Poller treiben und machte dort fest. Die Oberflächentemperatur des Zylinderkopfes lag bei 85°C, ich hatte den Motor aber sofort ausgemacht und bis zum Anlegen waren einige Minuten vergangen. Ich wartete, bis der Motor etwas abgekühlt war, fand aber keine Ursache für die Überhitzung.
Nach einer Stunde traute ich mich, weiterzufahren. Ich mache es kurz: Auf den 6,5 Seemeilen dieses Tages überhitzte der Motor immer wieder. Ich machte ihn immer wieder aus auf der Strecke und ließ mich treiben bis ich nach ein paar Stunden mit Ach und Krach einen kleinen Steg in der Natur erreichte, an dem ich festmachen konnte. Hier würde ich zwei Nächte bleiben, denn für den nächsten Tag war sehr viel Wind angesagt und der auch noch von vorn – das konnte ich mit dem Motor nicht riskieren.
Ich hatte mittlerweile festgestellt, dass mein Wärmetauscher nicht warm wird. Durch den Wärmetauscher fließt innen kaltes Seewasser, was das außen durchfließende, heiße Wasser, welches im Motor erhitzt wurde, abkühlt und anschließend wieder dem Motor zuführt. Auf dem Weg zum Wärmetauscher sitzt das Thermostat, das die Zufuhr von heißem Wasser zu diesem regelt. Es öffnet sich, wenn das Wasser eine Temperatur von 74°C erreicht und macht somit den Weg zum Wärmetauscher frei. Ich baute also das Thermostat aus, legte es in einen Topf und erhitzte das Wasser. Währenddessen kontrollierte ich mit einem Thermometer die Temperatur des Wassers und stellte fest, dass das Thermostat tatsächlich bei etwas über 70°C öffnete. Hmm, aber im Motor eingebaut hatte es das wohl nicht getan. Ich hatte zwischendurch auch mein altes Thermostat wieder eingebaut, doch das änderte leider nichts an der Situation.
Am übernächsten Tag fuhr ich weiter, machte nach einer Meile am nächsten, kleinen Steg fest, ließ den Motor etwas abkühlen, fuhr weiter, Überhitzungsalarm ging an, machte vor der nächsten Brücke fest, ließ den Motor abkühlen, fuhr weiter um die Ecke bis nach Wergea und fuhr dort an den Gästesteg. Das war irgendwie auch Glück, denn Wergea ist ein zauberhafter, kleiner Ort, an dem ich sonst bestimmt vorbeigefahren wäre. Ein hübscher Kanal führt mitten durch den Ort durch, ist aber nur für kleinere Boote passierbar. Die großen Schiffe, wie GITANA, müssen außen um den Ort herumfahren. Ein Spaziergang führte mich durch kleine, kopfsteingepflasterte Gassen mit niedlichen Häusern, rechts und links gingen noch kleinere Kanäle mit noch kleineren Klappbrücken ab. Es gibt einen Bäcker, eine Tankstelle, einen Supermarkt, eine Pizzeria und ein kleines Selbstbedienungscafé am Kanal – was will man mehr?
Ich ging zurück zum Boot und kontrollierte die Kühlmittelpumpe, denn so langsam gingen mir die Ideen aus. Die Pumpe hatte ich erst vor drei Jahren neu eingebaut, dementsprechend neu sah sie von innen auch aus, nichts wackelte. Die konnte es nicht sein. Ich entschloss mich also, das Thermostat einfach auszubauen und somit dem Kühlwasser den Weg in den Wärmetauscher freizugeben. Am nächsten Morgen ging es weiter, die letzten 3,3 Meilen nach Grou. Ohne Thermostat blieb der Motor kühl und ich gelangte endlich an das lang ersehnte Ziel – der kleine Hellingshaven mit dem Volvo-Mechaniker gleich nebenan. Ich habe noch am selben Tag mit ihm gesprochen, die Ersatzteile sind bestellbar. Zunächst wollen wir den Zylinderkopf aber zum Drucktest geben, um sicherzugehen, dass nicht doch irgendwo noch ein Schaden entstanden ist, der sich erst nach einiger Zeit zeigen wird.
Was hieß das für mich? Genau, einmal den Zylinderkopf ausbauen. Alle guten Dinge sind drei. Ich habe jetzt Übung. Keine zweieinhalb Stunden habe ich gebraucht, dann war das Ding runter. Und nun liegt es hier, auf einem orangen Handtuch (wie sich das in den Niederlanden gehört) und wartet auf Abholung, während ich diese Zeilen tippe. Ich glaube, hier in Grou kann ich mich die nächsten Tage ganz gut beschäftigen. Der Ort ist niedlich, man kann sich Fahrräder leihen und schöne Radtouren in einem gut ausgeschilderten Radwegenetz machen. Vielleicht geh ich auch mal wieder eine Runde joggen. Nur das Wetter muss ich dabei etwas im Auge behalten, es ziehen zwischen Sonnenscheinmomenten immer wieder kräftige Schauer durch.
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