Entlang der Orca-Alley

Nach einem entspannten Tag in La Coruña fühlten wir uns gut erholt und verließen die Marina in Richtung Westen. Die Sonne schien, der Wind war mal da und mal auch nicht, für kurze Zeit konnten wir den Code C noch einmal rausholen. Das war insofern gut, als dass wir ihn auf dem Steg der Marina kräftig mit Frischwasser gespült hatten. Anschließend konnten wir ihn dank abendlicher Flaute im Hafen setzen, um ihn vernünftig einzurollen-doch trocken war er nicht. Das übernahm der Leichtwind am folgenden Tag, der jedoch plötzlich viel stärker wurde als erwartet und wir das Segel daher schleunigst wieder einrollen mussten. An dem Ankerplatz zwischen zwei kleinen Inseln, den wir ursprünglich anlaufen wollten, mussten wir aufgrund des Windes leider auch vorbeifahren. So ging es noch 10 Seemeilen weiter bis in die Bucht von Laxe, wo nach genau zwei Monaten seit dem Start in Hamburg endlich zum ersten Mal der Anker fiel.

Wir verlassen La Coruña
Eigentlich wollten wir zwischen diesen Inseln ankern
Segeln mit dem Code C
Vor Anker in Laxe

Genießen konnten wir diese schöne Bucht mit dem weißen Sandstrand leider nur bis früh am nächsten Morgen. Seit Tagen wehte der Wind schon aus Süden, aufgrund eines Tiefdruckgebietes, welches sich am Kap festgesetzt hatte. Wir hatten keine Zeit, auf Nordwind zu warten, doch am folgenden Tag tat sich eine Lücke auf, in der es deutlich weniger Wind geben sollte. Aufgrund der Orca-Situation in dieser Gegend würden wir sowieso motoren, denn die aktuelle Empfehlung lautete, sich so weit wie möglich am Ufer entlang zu hangeln, möglichst auf der 20-Meter-Linie oder flacher. Das bedeutet in dieser Gegend, sehr nah an den Felsen vorbeizufahren und das wiederum ist je nach Windrichtung unter Motor sicherer als unter Segeln.

Einen Tag zuvor hatte es das deutsche Segelboot MEU erwischt. Genau dort, wo wir entlangfahren mussten, nur weiter draußen. Die Orcas hatten das Ruder an den Rumpf der MEU gedrückt und es gab einen Wassereinbruch. Zum Glück konnte das Schiff nach Camariñas geschleppt werden, wo es nun repariert wird. Mit deutlich mulmigem Gefühl starteten wir also mit dem ersten Tageslicht. Viele Delfine tauchten um uns herum auf, das ist immer ein beruhigendes Gefühl. An der Nordküste herrschte noch absolute Flaute. Plötzlich sahen Alex und ich zeitgleich etwas vor uns, das uns das Herz in die Hose rutschen ließ. Es sah schwarz-weiß aus und verschwand immer wieder im Wasser, um kurz darauf wieder aufzutauchen. Die kommen genau auf uns zu, wohin jetzt? Alex nahm das Fernglas zur Hand und ich hielt automatisch auf das Ufer zu, wo es flacher wird. “Es ist so wackelig, ich kann das nicht richtig erkennen, aber das ist irgendwas schwarz-weißes”, teilt sie mir mit. Mit leicht zitternden Händen übernahm ich das Fernglas und Alex das Ruder und ich versuchte, etwas zu erkennen. Ich hielt das Glas so ruhig wie möglich, um für einen kleinen Moment eine klare Sicht zu bekommen. Entwarnung: es ist ein kleines Fischerboot, welches dort ankert und ab und zu hinter einer Welle verschwindet. Puh, wir mussten beide über unsere Paranoia lachen, doch es sah wirklich verdammt echt aus!

Kap Finisterre-das Ende der Welt
Gästesteg in Finisterre

Den Rest der Tour hielten wir uns nah am Ufer, motorten gegen den auffrischenden Wind aus Süd an. Um uns herum waren noch mindestens vier andere Segler unterwegs, ein beruhigendes Gefühl. Einer war mutig (oder leichtsinnig?) und kreuzte unter Segeln sehr weit raus. Wir hörten den Funk auf Kanal 16 permanent ab, doch zum Glück musste niemand ein Mayday senden. Am frühen Nachmittag rundeten wir das berühmte Kap Finisterre, das Ende der Welt, und liefen in den kleinen Hafen des gleichnamigen Ortes ein. Hier gibt es einen Gästesteg, an dem Segler umsonst liegen dürfen und schon von Weitem hörten wir die Bässe der spanischen Musik, die vom Ufer zu uns herüberschallten. Hier ist irgendwas los heute.

Die heilige Carmen wird durch die Stadt getragen
Anschließend gibt es eine Ausfahrt auf einem der Fischerboote

Schnell fanden wir heraus, dass an diesem Wochenende das Fest der heiligen Carmen stattfindet, der Schutzpatronin der Seefahrer. Wie passend. Eine riesengroße Statue der Carmen wurde auf einer Sänfte von mindestens 20 Menschen durch die Stadt getragen und am Nachmittag auf eines der hübsch geschmückten Fischerboote geladen. Zusammen mit einer Armada von anderen hübsch geschmückten Booten fuhr die Fest-Flotille zu einer kleinen Rundfahrt in Richtung Kap hinaus, während wir eine Wanderung zu eben jenem unternahmen. Der berühmte Leuchtturm von Finisterre ist auch gleichzeitig das Ende des Jakobswegs und auf dementsprechend viele Pilger trafen wir hier. Ein weiteres Highlight des Tages war der weiße Sandstrand, der sich auf der gegenüberliegenden Seite von Finisterre befindet und an dem wir einige Zeit entspannten und den Ausblick auf das türkise Wasser des Atlantischen Ozeans genossen. Abends gab es dann im Ort noch eine zünftige Party, zunächst mit einer mitreißenden, spanischen Band. Die Muddi tanzte mit dem Vaddi, der Großvaddi schnappte sich gleich zwei Damen, die er im Kreise drehte und auch die junge und die jüngste Generation bewegte sich im Takt der spanischen Musik. Auf diese Show folgte eine weitere, riesige Musikshow auf der großen Bühne. Da letztere allerdings erst nach Mitternacht startete, bekamen wir nur noch den Anfang mit und trollten uns dann ins Bett, wir wollten früh raus am nächsten Morgen.

Leuchtturm von Finisterre
Ausblick
Das Ende des Jakobsweges
Wunderschöner Sandstrand
So feiern die Spanier

Von Finisterre führte uns der Weg weiter nach Süden, in die Gegend der weißen Sandstrände von Galizien. Gern hätte ich noch viel mehr Zeit hier in den Rias verbracht, doch die Zeit drängte und so hatten wir uns für diesen Tag eine schöne Ankerbucht in der Ria de Pontevedra ausgesucht, circa 40 Seemeilen von Finisterre entfernt. Die ersten zwei Stunden kreuzten wir gegen den Südwind an und genossen das Gefühl, endlich wieder die Segel oben zu haben. Der ständige Motorlärm der letzten Tage hat uns doch sehr genervt. Leider währte das Vergnügen nicht sehr lang, der Wind schlief komplett ein und wieder musste der Motor ran. Zwei Stellen hatte ich mir auf der Karte markiert, an denen vorige Woche Orca-Angriffe stattgefunden hatten. Diese Stellen ließen sich nicht umfahren, denn sie waren dicht am Ufer, am Eingang einer der Rias. Genau in dem Moment, wo wir eine der markierten Stellen erreichten, ging der Überhitzungsalarm des Motors an. Was für ein unschönes Timing! Wind gab es keinen und so drifteten wir sehr nah am Ufer vor uns hin, ganz langsam in Richtung eines kleinen Felsens.

War ich froh, dass ich Alex an Bord hatte, so konnte sie draußen Ausschau halten und ich konnte nach dem Motor sehen. Schnell merkte ich, dass das Problem wieder das alte war: der Wärmetauscher war zu kalt, das Wasser floss dort wieder nicht durch. Es konnte eigentlich nur etwas mit dem Plastikteil zu tun haben, das ich noch nicht ausgetauscht hatte, weil das alte ja erstmal funktionierte. Nun hatte das Kühlwasser aber gerade eine Temperatur von fast 100°C, was bedeutete, dass ich das entsprechende Kupferrohr nicht abbauen konnte, ohne mich zu verbrühen. Wenigstens ein kleines bisschen musste der Motor noch abkühlen. Beide Segel waren oben und mit jedem noch so kleinen Windhauch versuchten wir, ein paar Meter voranzukommen, bis ich endlich einen Teil des Kühlwassers ablassen konnte. Ein Ersatzteil hatte ich an Bord und war in der Lage, das alte Plastikteil aus dem Rohr zu ziehen und das neue einzusetzen. Das alte hatte sich wahrscheinlich in seiner Position verändert, wodurch sich der Wasserdruck im System wieder verändert hatte. Kurz darauf zeigte sich: alles läuft wieder wie es soll. Da wir nun über eine Stunde Zeit verloren hatten, liefen wir die Ankerbucht von San Vicente an, die sich direkt um die Ecke befand. Das Wasser war klar und türkis, der Sommerabend lauschig und der erste Weg führte uns mit Taucherbrille und Schnorchel hinein ins kühle Nass. Haare waschen (in Finisterre gab es keine Duschen) und einmal nach langer Zeit das Boot von unten betrachten, ob dort alles in Ordnung ist. Fazit: kaum Bewuchs, die Anode am Propellerschaft ist noch fest und auch sonst sieht alles gut aus.

Auf dem Weg nach Süden
Ankerbucht von San Vicente

Den nächsten Tag verbrachten wir in Vigo. Von der Stadt hatte ich mir irgendwie mehr Flair erwartet. Die Marina schien insgesamt etwas heruntergekommen, so richtige, sanitäre Anlagen gab es auch nicht – nur Toiletten in der Segelschule, zu der wir von unserem Platz aus einmal um die gesamte Marina herumlaufen mussten. Der Gang auf’s Kastell war dennoch sehr schön und abends genossen wir zusammen mit Christoph, der auch wieder mit von der Partie war, ein schönes Tapas-Meal in der gut besuchten Pulperia.

Das Kastell von Vigo
Schöne Aussicht
Gitana
Tapas in der Pulperia

In Baiona, unserer nächsten Station, war es dafür umso schöner. Wir verbrachten einen richtigen Langfahrertag, wie Alex ihn treffend beschrieb. Dinghy aufpumpen, einen Spaziergang auf der wunderschönen Festung mit toller Aussicht machen, die Stadt erkunden, Eis essen und auf dem Rückweg noch etwas Diesel im Kanister von der Straßentankstelle mitnehmen. Nicht zu vergessen das Schwimmen und das entspannte Abendessen im Cockpit. Ein schöner, letzter Tag vor Anker, denn nun sollte es nach Porto gehen – der letzten Station vor meiner ersten Unterbrechung der Reise. In ein paar Tagen soll an der Algarve die Hochzeit von Freunden stattfinden und anschließend geht es für einen Monat nach Kreta zum Arbeiten.

Baiona
Einweihung meiner Hängematte
Abendstimmung

Bis zum nächsten Hafen waren es 50 Seemeilen, Wind sollte erst nach dem Mittag aufkommen. Insofern tuckerten wir wieder einmal mit dem Motor los. Da der Motor seit dem Austausch des Plastikteils an der einen Dichtung etwas Kühlwasser verlor, war ich auf einen Anstieg der Motortemperatur vorbereitet und hatte das Thermometer immer im Blick. Nach zwei Stunden war es denn auch soweit. Ich merkte, wie die Temperatur ganz langsam anstieg und kontrollierte den Motorraum. Ja, da war Wasser in der Bilge, wie erwartet. Aber wieso eiert die Riemenscheibe von der Kühlwasserpumpe so?? Das war gestern definitiv noch nicht so, ich habe den Motor ja täglich kontrolliert. Das fehlte mir nun wirklich gerade noch, das Ding ist erst drei Jahre alt und wer den Preis hört, fällt in Ohnmacht! Schnell stellten wir den Motor ab. Beim Öffnen des Kühlmittelbehälters sah ich deutlich Metallabrieb im Wasser, das kam von der Wasserpumpe und war auch definitiv am Tag vorher noch nicht da-das Kühlwasser hatte ich vor dem Losfahren kontrolliert. Kann es denn nicht mal einen Tag geben, wo nichts passiert?? Das war nun wirklich sehr frustrierend. Vor allem hieß es, das wir den Motor nicht mehr starten konnten (oder besser wollten), da ich Angst hatte, dass uns die Pumpe vollständig um die Ohren fliegt.

Segeln in Richtung Porto

Glücklicherweise kam ganz langsam Wind auf, so dass wir uns eine Stunde später mit Rückenwind und Schmetterlingsbesegelung in Richtung Porto bewegten. Ich nahm Kontakt zur Marina auf, um zu fragen, ob uns bei Ankunft jemand zum Liegeplatz schleppen kann. Negativ, die Marineros mit dem Dinghy sind dann nicht mehr da. Das bedeutete wohl, dass dies mein erstes Anlegemanöver unter Segeln werden würde. Nichts desto trotz wurde es noch ein toller Segeltag mit vielen Delfinen.

Der Anleger unter Segeln ist geglückt

Christoph war mit seinem Camper schon vor Ort in der Marina und konnte auskundschaften, welche Plätze frei und welche besetzt waren und wo wir am besten anlegen konnten. Die Entscheidung fiel auf den Wartesteg vor der Rezeption, hier war Platz zum Wenden. Vor der Hafenmole holten wir das Vorsegel ein und sprachen ein letztes Mal das Manöver durch. “Im Hafen ist weniger Wind und mit dem Großsegel allein wird GITANA schon deutlich langsamer werden”, erklärte ich Alex. Denkste! Dort, wo es hinter der Mole so flautig aussah, hauten noch Windböen durch und beschleunigten GITANA auf über vier Knoten. Alex öffnete das Großsegel so weit es ging, um Geschwindigkeit aus dem Boot zu nehmen, doch GITANA war in Fahrt. Grüne Tonnen auf der einen Seite, eine Kardinaltonne auf der anderen Seite und nun mussten wir auch noch genau downwind auf den anderen Steg zufahren, bevor ich in den Wind drehen konnte-wo wir eigentlich das Segel herunternehmen wollten. “Wir nehmen das Segel JETZT runter!”, rief ich Alex zu, während wir nach Süden drehen. Das Großfall geht auf, das Segel kommt runter, ich drehe das Boot in Richtung Rezeptionspier und damit langsam in den Wind, Alex geht zur Vorleine und wirft sie Christoph rüber, steigt mit der Achterleine an Land – und fest sind wir. Ein perfekter Anleger unter Segeln. Schade, dass DAS niemand gefilmt hat!

GITANA wird die nächste Zeit nun auf dem Trockenen verbringen, bis ich wieder da bin. So setzt sie keinen Bewuchs an und ich muss mir keine Sorgen um durchgescheuerte Leinen oder Lecks im Boot machen, denn für mich geht es nach all diesem Motordrama zunächst an die Algarve zu besagter Hochzeit und anschließend in den wohlverdienten “Urlaub” nach Kreta, wo ich den Motor mal für einige Zeit vergessen kann, um mich anschließend mit klarem Kopf an die Reparaturen zu machen.

Hoch und trocken-bis ich zurück bin


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Kommentare

7 Antworten zu „Entlang der Orca-Alley“

  1. Avatar von Ina
    Ina

    Immer wieder scbön deine Bericht zu lesen.
    Wünsche dir bald Ruhe mit dem Moto, eine schöne Hochzeitsfeier und gute Zeit auf Kreta.

  2. Avatar von Sigi
    Sigi

    Spannende Stories. Leider klränkelt immer wieder der Motor 🙄😔 Freue mich schon auf dich am Samstag im OP und auf alles was du erzählen wirst. 😎😃 guten Flug und bis baaaaald 🌺

  3. Avatar von GE
    GE

    “…Ein perfekter Anleger unter Segeln. Schade, dass DAS niemand gefilmt hat!…”
    Ich bin erst 1x im Leben gesegelt, kleines Boot auf dem Plöner See bei allerdings mächtig Wind – da gab es keinen Motor und ‘Anleger unter Segeln’ war normal… 😃
    Trotzdem Gratulation, denn das klang wirklich spannend.
    Bin immer wieder erstaunt, dass Ihr überall Bekannte trefft.
    Wie lange müssen wir denn jetzt warten??? 😔

    1. Avatar von Marga

      Ja, so ein kleines Segelboot zu stoppen ist einfacher als 11 Tonnen zu stoppen 😉 Mal gucken ob ich noch einen Kreta-Arbeits-Blog schreibe, kommt wohl etwas drauf an, was hier in den nächsten Wochen alles so passiert 🙂

  4. Avatar von Dieter
    Dieter

    Zunächst danke für die schönen Berichte!

    Für die Wasserpumpe empfehle ich die Fa. Fleiß https://www.fleiss-yachtzubehoer.de/pages/wir-reparieren-alle-wasserpumpen.php
    Dort hatte ich meine Pumpe für den 2003T reparieren lassen. Preis, Liefergeschwindigkeit und Qualität waren angemessen.

    1. Avatar von Marga

      Danke für den Tipp, ich habe sie jetzt erstmal dort hingeschickt, wo ich sie gekauft habe. Mal sehen, was die mir sagen… Mich ärgert es einfach nur so, dass das Ding gerade einmal drei Jahre alt ist. Die alte war 30 Jahre alt, als sie den Geist aufgegeben hat.

  5. Avatar von barbara schimanski
    barbara schimanski

    auch das “Land-Ei” darf noch etwas sagen, zu dieser spannenden Etappe, mit Fast-Orca-Angriffen und Fast-Motor -Schaden und trotzalledem herrlichen Erlebnissen. Ich freue mich mit Dir, liebe Marga, und bin immer wieder beeindruckt, wie Du das alles so hinkriegst und wie Du auch Spass an allem hast. Jetzt stehst Du sicher schon im OP und hast Dich von der Capitana zur Frau Doktor umgewandelt. Das fand der Oggi ja immer sooo beeindruckend, dies “Frau Doktor”. Ich glaube, er wäre auch stolz auf Dich, wenn er das hier alles lesen könnte. Tut er vielleicht auch. Liebe Grüße, Bara

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