Von Walen und Delfinen

Alex erreichte zum Glück alle ihre Züge, welche einigermaßen pünktlich fuhren-auch wenn es aufgrund einer gebrochenen Kofferrolle in Paris knapp wurde. Schon vom Zug aus sah sie die GITANA im Hafen liegen und gegen 17h stieg sie an Bord. Ein knappes Wetterfenster zur Biskayaüberquerung hatte sich aufgetan, alle anderen Boote waren schon morgens gestartet. Zum Glück kannte Alex das Boot schon, so konnten wir bereits um kurz vor 18h die Leinen loswerfen und in Richtung Biskaya starten. Die ersten Stunden kam der Wind genau von achtern, was bei einer kleinen Crew zeitweise Probleme aufwirft: das Großsegel muss auf der einen Seite gefahren werden und die Fock muss auf der anderen Seite ausgebaumt werden. Das ist etwas umständlich, besonders wenn nach ein paar Seemeilen der Kurs geändert werden muss und alle Segel auf die gegenüberliegende Seite umgebaut werden müssen. Insofern ging es erstmal nur mit dem Großsegel und gemütlicher Geschwindigkeit voran, nach dem Kurswechsel dann mit Fock und Groß in erklärter Schmetterlingsbesegelung. Da allerdings der Wind noch nicht kräftig genug wehte, kamen wir nur langsam voran. Zum Sonnenuntergang holten wir daher den Leichtwind-Joker heraus, den neuen Code-C. Diesmal ersetzte er die Fock im Schmetterling, wurde also auch mit einem Baum gefahren. So segelten wir, etwas schaukelig, aber doch sehr gemütlich und mit vernünftiger Geschwindigkeit in die Nacht hinein. Die Engstelle bei Pointe du Raz passierten wir gegen 22h im Dunkeln. Starke Strömungen schoben GITANA mit über 9 Knoten auf die Biskaya hinaus. Natürlich wurden Erinnerungen an vor drei Jahren wach, als ich diesen Punkt in entgegengesetzter Richtung in über 40 Knoten Wind und 5 Meter hohen Wellen passierte und mir nur wünschte, endlich irgendwo in eine ruhigere Ecke zu kommen – nach fast 30 Stunden im Sturm. Diesmal sollte es besser werden. 

Unter Schmetterlingsbesegelung geht es raus auf die Biskaya
Sonnenuntergang auf See

Ich übernahm die erste Nachtschicht, Alex legte sich schon mal schlafen. GITANA glitt über die Wellen, es schaukelte, aber durch den Code C hatten wir genug Fahrt im Schiff, um das Geschaukel erträglich zu machen. Ich genoss diese Fahrt, endlich geht es nach Süden. Die Überquerung der Biskaya ist der erste große Schritt in diese Richtung. Ich gab mich meinen Träumen hin und fühlte mich entspannt, bis mich morgens um 1 Uhr plötzlich ein lauter Knall aus meinen Gedanken riss. Senkrecht schnellte ich im Cockpit hoch, mein erster Gedanke: Orcas! Die attackieren seit drei Jahren regelmäßig in Spanien und Portugal und auch auf der Biskaya die Ruderblätter von Segelbooten, bis diese manövrierunfähig im Wasser treiben und abgeschleppt werden müssen – oder sogar sinken. Natürlich war dieser Gedanke allgegenwärtig auf so einer Fahrt. Doch ein Blick nach vorne belehrte mich eines Besseren: da fehlte was. Der Code C, der eben noch schön und blau an seinem Platz prangte, war jetzt weg. Er lag im Wasser neben GITANA, hing noch an seiner Schot und vorne am Bug fest. „Alex!!“ rief ich laut den Niedergang hinunter. Kurze Zeit später versuchten wir, den Code C aus dem Wasser zu bergen und über die Reling zu ziehen. „Wir haben zu viel Fahrt im Schiff“ rief Alex. Ich ging zum Steuerstand und luvte an, um den Druck aus dem Großsegel zu nehmen und das Schiff zum Stillstand zu bringen. Das funktionierte, wir konnten den Rest des Segels unbeschadet aus dem Wasser bergen. Klitschnass vom Salzwasser waren unsere Klamotten anschließend, denn die Nacht an sich war warm und keiner hatte Ölzeug an. Wir stopften den Code C in seinen Sack und baumten die Fock wieder aus, die natürlich eine deutlich kleinere Segelfläche hatte. Damit waren wir langsamer und bei dem wenigen Wind mit viel Welle schaukelte GITANA von rechts nach links und immer wieder knallten die Segel, weil der Wind nicht genug Druck aufbaute, um sie in ihrer Position zu halten. Keine von uns schlief wirklich in dieser Nacht, wir dösten nur so vor uns hin bis zur nächsten Wach-Schicht. Dementsprechend gerädert verbrachten wir den nächsten Tag. Das Geschaukel schlug uns beiden auf den Magen, das flaue Gefühl kam und ging. Zum Glück abwechselnd. Wenn es Alex nicht so gut ging, konnte ich Tee kochen oder etwas Kleines zu Essen machen und wenn es mir gerade als keine gute Idee erschien, unter Deck zu gehen, dann übernahm Alex das. Seekrankheit? Nicht so wirklich, wir stempelten es als die zwei Tage „Einschaukelungsphase“ ab. So retteten wir uns irgendwie über den Tag, wir kamen recht gut voran und jeder hatte genug Zeit, sich tagsüber nochmal auszuschlafen. 

Der nächste Tag gestaltete sich so, wie so ein Tag auf der Biskaya aussehen sollte. Delfine kamen uns besuchen uns spielten mit dem Bug. Auch nach Jahren der Segelei gibt es nichts Schöneres, als die Delfine zu beobachten, wie sie um das Boot herumschwimmen, wie sie neben dem Boot beschleunigen, zum Bug schwimmen und mit einem großen Sprung aus dem Wasser springen. Normalerweise zücke ich sofort die Kamera, diesmal allerdings habe ich das Alex überlassen und einfach nur beobachtet und mich innerlich gefreut. Ich war so oft alleine an Bord mit den Delfinen und immer wollte ich diese wunderschönen Momente mit einer anderen Person teilen. Nun hatte ich jemanden an Bord, der das ganze bezeugen kann und sich mit mir freut, die Videos kann ich von Alex bekommen.

Immer wieder faszinierend, wenn die Delfine mit dem Bug spielen

Kurz darauf hatten wir ein Erlebnis der ganz besonderen Art. Plötzlich tauchte neben uns ein riesiger, grauer Rücken auf und stieß einen kräftigen Blas aus. Was es genau für ein Wal war, kann ich nicht sagen, vielleicht ein Buckelwal. Ich hatte schon mal so ein Erlebnis vor drei Jahren auf der Biskaya, als genau so ein großer, grauer Rücken direkt neben GITANA auftauchte. Ich hatte nicht mal Zeit, die Kamera zu zücken, da war er auch schon wieder weg. Damals schoss mir das Adrenalin nur so durch den Körper, weil ich nicht wusste, was der Wal wollte. Doch er war nur neugierig, sagte kurz hallo und verschwand wieder. Wie ein Geist, wie eine Fata Morgana, nach der man überlegt, ob das gerade tatsächlich passiert ist. Zum Glück hat Alex diesmal zumindest noch seinen Blas festhalten können. 

Von dem Wal ist nur noch der Blas zu sehen

Die nächste Nacht versprach Besserung des Geschaukels, der Wind nahm deutlich zu, wehte nun mit bis zu 20 Knoten von schräg achtern. GITANA flog nur so über die Wellen und mit bis zu 7 Knoten kamen wir unserem Ziel La Coruña näher. In dieser Nacht konnten wir beide endlich vernünftig schlafen, wenn auch maximal vier Stunden am Stück. Ich fühlte mich ausgeruht am nächsten Morgen und verspürte Verlangen nach einem Kaffee. Das hatte ich am Tag zuvor nicht und das will schon was heißen bei mir. 

Doch leider währte das Vergnügen des schönen Windes nicht lange, die Flaute kam. Mit Ankündigung aber. Um 10 Uhr morgens ging der Motor an, denn wir hatten die „deadline“ des nahenden Gegenwindes in La Coruña im Hinterkopf. Die Sonne schien, die Sommerklamotten wurden rausgeholt und wir tuckerten unter Motorfahrt so dahin. In der dritten Nacht versuchten wir immer mal wieder, streckenweise zu segeln und den Motorlärm abzuschalten. Das gelang mal hier zwei Stunden und mal dort zwei Stunden, doch am Ende übernahm die Flaute wieder die Kontrolle. Schon am Ende der dritten Nacht sahen wir die ersten Lichter am Ufer von Spanien. Uns war klar, dass sich am Kap ein Tiefdruckgebiet festgesetzt hatte, was uns im Westen zu viel Wind bescheren würde und im Osten Flaute. Ab Mittags sollte der Wind in La Coruna auf Süd drehen und uns damit voll von vorne entgegenpusten. Zur Not würden wir vorher eine Ankerbucht anlaufen, doch ich hoffte, dass wir es trotzdem noch nach La Coruña schaffen würden. Die letzten Stunden waren sehr mühsam, unter Motorkraft und mit Hilfe des Großsegels arbeiteten wir uns mal schneller und mal langsamer an La Coruña heran. Wir zählten die Meilen rückwärts und es dauerte. Gegen 15h liefen wir dann endlich in den Hafen ein, machten irgendwo längsseits an einem Anleger fest und freuten uns, dass wir endlich angekommen waren. Es gab zunächst mal einen großen Salat zu essen, bevor wir beim Hafenbüro unser Liegegeld bezahlten und gleich weiter in die lang ersehnte Dusche spazierten.  

Sonnenaufgang vor Spanien

Den folgenden Vormittag verbrachten wir damit, das Spi-Fall wieder durch den Mast zu fädeln. Das war nicht ganz einfach, aber am Ende war alles wieder an seinem Platz. Den Code C wuschen wir am Steg und konnten ihn abends bei Flaute wieder hochziehen, um ihn vernünftig einzurollen.

Auf in den Mast…
…um das Spifall wieder einzufädeln
Alex sichert mich vom Cockpit aus

Nachmittags machten wir uns dann auf Erkundungstour in La Coruña, aßen Tapas und Eis und genossen die Wärme Spaniens. Endlich sind wir im Sommer angekommen!

Die Schutzbefohlene der Seefahrer
La Coruna
Ohne Tapas geht es nicht
Und abends kam noch Laura zu Besuch, eine Kollegin, mit der ich auf den Kapverden viel zusammengearbeitet habe.

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Kommentare

10 Antworten zu „Von Walen und Delfinen“

  1. Avatar von Ina
    Ina

    Immer wieder les ich gerne Deine Berichte. Viel Spaß und passenden Wind weiterhin.

  2. Avatar von Gero

    auf See ist wohl kein Tag ohne Aufregung?
    Warum hatte sich denn der “Code C” gelöst ? (ist das das neue große blaue Segel?) War da einfach eine Befestigung gerissen?
    Und was ist ein Spi-Fall??? Ist das die Schnur, die durch den Mast “fällt”?
    Und wie man jemanden durch fröhliches Winken vom Boot aus oben im Mast “sichern” kann, das bleibt wohl auch Euer Geheimnis… – aber bei manchen ist ‘sichern’ ja allein schon genau hinzuschauen, um abschätzen zu können, ob was passieren kann…
    Wir sind gespannt, wie es weitergeht…

    1. Avatar von Marga

      Das ist das Spinnaker-Fall, mit dem zieht man dieses Leichtwindsegel vorne hoch. Da ist leider die Verbindung zum Schäkel gerissen und damit lag es im Wasser und das Seil ist durch den Mast nach unten gerutscht (es läuft innen im Mast hoch und kommt oben wieder heraus). Und Alex hat unten im Cockpit die Kontrolle über meine Sicherungsleine – als sie gewunken hat war die Leine gesichert, daher hatte sie zwei Hände frei 😉

  3. Avatar von Dörte Oldach

    Oh Marga, das ist mir zu aufregend! Da werde ich ja schon beim Lesen seekrank. Ich wollte auch wissen, wie Alex Dich “gesichert” hat, gut, dass Du es nochmal erklärt hast.
    Und die vielen Fachbegriffe überfordern mich natürlich, da sind eure Fotos sehr hilfreich.
    Alles Gute für die Weiterfahrt. Bist Du jetzt gut gewappnet gegen die Orcas?
    Liebe Grüße, Tante
    .

    1. Avatar von Marga

      Ja ich bin sehr gut gewappnet, die sollen nur kommen! (Nein sollen sie nicht…) Heute sind wir ums Kap Finisterre mit mulmigem Gefühl, aber nur Delfine gesichtet zum Glück

  4. Avatar von Herbert Artz
    Herbert Artz

    Liebe Marga,

    spannend Deinen Reise zu verfolgen (Marinetraffic sei Dank 🙂 ).
    Sehr schöner Bericht und tolle Videos und Bilder. Das azurblaue Wasser macht wieder Lust auf Blauwassersegeln.
    Ich kann das von meiner bestätigen, irgendwas ist immer … .

    Frage, warum hast Du Dich entschieden platt vor dem Wind zu fahren, statt vor dem Wind zu kreuzen?

    LG

    Margit & Herbert (C36 283 MAMAMAHE)

    1. Avatar von Marga

      Hätte man überlegen können aber den Code C muss ich jedes Mal einrollen und die Schot vorne rumführen (hab nur eine), das erschien mir für die relativ kurze Strecke bis zur Biskaya zu umständlich. Und auf der Biskaya haben wir dann ja ausgebaumt gute Fahrt gemacht. Ich muss mich mit dem Segel erstmal ausprobieren, wann und wo und bis wieviel Wind ich es bei welchem Winkel fahren kann…

      1. Avatar von Margit & Herbert
        Margit & Herbert

        👍
        Und wir finden es sehr mutig von Dir viele Strecken einhand zu fahren.
        Speziell beim Anlegen kämpfen wir auch zu Zweit noch mit unserer störrischen Dame🤣
        Viel Spass und eine traumhafte Zeit!

        1. Avatar von Marga

          Vielen Dank – auch für den Kaffee 🙂 Ich wünsch euch auch eine schöne Zeit mit dem Schwesterschiff!

  5. Avatar von barbara schimanski
    barbara schimanski

    oje, oje – hier meldet sich ein absolutes Land-Ei: von Nix ‘ne Ahnung und deshalb um so mehr beeindruckt von all den Fachausdrücken: die verstehe ich zwar nicht alle, aber denke mir halt mein Teil und finde alles spannend. Tolle Erlebnisse mit Walen und Delphinen – zum Glück keine boshaften Orkas. Ab und zu mal ein kurzes Filmchen, das macht alles noch anschaulicher. Bei den Wellen wird mir schon von bloßen Zusehen schlecht . Wie sagst Du so treffend: “Einschaukelungsphase”. Liebe Marga, ich freue mich mit Dir und wünsche, daß weiterhin alles so klappt! Herzlich, Bara

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