Eine kurze Info vorab: dieser Blogeintrag ist recht technisch und für die Nicht-Segler vielleicht nicht immer einfach zu verstehen. Aber ich hoffe er vermittelt doch das Gefühl, wie viel Arbeit in so einem Boot und vor so einer langen Reise steckt.
Neun Monate war GITANA jetzt auf dem Trockenen. So lange sollte das eigentlich nicht dauern, aber „wat mutt dat mutt“ und ich möchte gern die Chancen, irgendwo auf einem Pazifikatoll mit kaputtem Motor zu stranden, so weit wie möglich verringern. Aber von vorn:
Nachdem GITANA Ende September aus dem Wasser kam, hatte ich nicht viel Zeit, mich um sie zu kümmern. Den Oktober und November verbrachte ich auf Kreta, denn um die Straßentiere dort muss sich auch gekümmert werden und ein bißchen Geld muss schließlich ebenfalls reinkommen – wie soll das Boot denn sonst langfahrttauglich werden? Direkt im Anschluss ging es weiter auf die Kapverden zu einer weiteren Kastrationsaktion auf der Insel Sal.
Im Januar hatte ich endlich Zeit, mit den ersten Winterarbeiten am Boot zu beginnen, die Liste war lang. Projekt Nr. 1 bestand darin, die Durchbruchgeber für die Wassertiefe und die Geschwindigkeit auszutauschen. Der Tiefenmesser funktionierte schon nicht mehr, seit ich vor drei Jahren die Elbe erreicht hatte. Nach 30 Jahren kann das mal vorkommen. Der Geschwindigkeitsmesser ging zwar noch, aber der zugehörige Temperatursensor zeigte 40°C an, was ich im Herbst auf der Elbe für unglaubwürdig hielt. Auch der ebenfalls 30 Jahre alte Autopilot hatte mir im letzten Jahr auf der Fahrt durch den Götakanal in Schweden den Dienst versagt. In Anbetracht der Tatsache, dass ich um die Welt segeln möchte, war dies jedoch ein deutlich besserer Zeitpunkt als beispielsweise mitten auf dem Atlantik oder in der Südsee.
Die alten Durchbruchgeber aus dem Rumpf zu entfernen war etwas mühselig, aber doch deutlich einfacher, als ich mir das ausgemalt hatte. Der Einbau der neuen Geber und auch des Autopiloten war recht einfach, doch nun mussten noch die neuen Kabel durch teilweise sehr enge, im Boot verbaute, Kabelkanäle gezogen werden, um an den Ort ihrer Bestimmung zu gelangen. Das endete damit, dass der Stecker eines Kabels sich so im Kabelkanal verkeilte, dass ich ihn nicht mehr vor und nicht mehr zurück ziehen konnte. Mit meiner ganzen Körperkraft lehnte ich mich in das Kabel, egal, wenn es zerreißt. Doch nichts tat sich. Ich war kurz davor, die Deckenverkleidung aufzusägen, um an den Kabelkanal heranzukommen. Ein letztes Mal lehnte ich mich mit aller Wucht, die ich aufbringen konnte, gegen das Kabel. Es gab nach, meine Faust knallte gegen die Wand, ich fluchte laut und nach über einer Stunde war der Stecker endlich befreit und die Deckenverkleidung war noch in einem Stück. Solche Momente sind sehr frustrierend und ich frage mich des öfteren, was ich hier eigentlich mache und wieso.
Nun musste ich mich noch um die Verbindung der Instrumente und Displays untereinander kümmern, denn in den letzten 30 Jahren hat sich die Technik geändert und es galt, die verbliebenen alten Displays mit den neuen zu verbinden. Am Ende soll ja alles miteinander kommunizieren. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Niko Reisch von Nordwest-Funk bedanken, ohne den ich bei der Planung wahrscheinlich verzweifelt wäre. So ergab es sich tatsächlich, dass ich, nachdem alle Instrumente verkabelt waren, den Strom einschaltete und alles auf Anhieb funktionierte.
Nach einer erfolgreichen Messe auf der boot Düsseldorf im Januar mit dem Team von Blauwasser.de ging es für mich noch einmal für zwei Monate nach Kreta in den Tierschutz. Doch das größte Projekt stand nach meiner Rückkehr noch bevor: eine Generalüberholung meines 30 Jahre alten Motors. Einzelne, gut zugängliche Verschleißteile wie die beiden Wasserpumpen und eine Einspritzpumpe wurden in den letzen zwei Jahren schon erneuert. Der Motor lief an sich problemlos, verlor hier und da ein bißchen Diesel oder Öl. Trotzdem wollte ich auf Nummer sicher gehen, denn ich kann nicht sehen, was innen vor sich geht. Das sehr rostige Kühlwasser des inneren Kühlkreislaufs beispielsweise machte mir etwas Sorgen. Man weiß ja nicht, wie der Motor in den letzten 30 Jahren von wem behandelt worden ist.
Zusammen mit Dr. Robert Möckel, der bei Blauwasser.de Seminare zum Thema Motor und Elektrik gibt, startete ich das Projekt „Genrealüberholung eines Volvo Penta 2003TB“. Bei Robert in der Garage zerlegten wir meinen Motor in seine Einzelteile. Alles wurde fotografiert, damit wir am Ende auch wissen, wie wir ihn wieder zusammensetzen müssen. Die meiste Schraub-Arbeit erledigte ich selbst, selbstverständlich unter Roberts wachsamen Augen, denn ich muss schließlich wissen, wie alles funktioniert. Robert hat alle Messinstrumente vor Ort, um festzustellen, ob die Kolbendurchmesser noch auf den hundertstel oder tausendstel Millimeter stimmen oder schon zu abgenutzt sind, ob die Einspritzdüsen beim richtigen Druck öffnen, ob die Ventile richtig aufliegen.
Im tiefsten Inneren des Motors befindet sich die Kurbelwelle. Hier stellten wir leichte Unregelmäßigkeiten bzw. Ablagerungen fest, weswegen wir sie zum Motoreninstandsetzer in Schleswig brachten. Dort wurde die Kurbelwelle geschliffen und somit die Unebenheiten beseitigt. Da der Betrieb alle Hände voll zu tun hatte, nahm dies einige Zeit in Anspruch, in der ich wiederum Zeit hatte, all die Arbeiten zu erledigen, die mich noch von meiner To-Do-Liste anschauten und vor denen es mich grauste. Dazu gehörte der Punkt „Boot polieren“.
Das Boot hatte in den letzten zwei Jahren auf Elbe und Ostsee sofort den Gilb des Wassers angenommen. Mit Zitronensäure bekam ich das wieder in den Griff, aber eben immer nur für kurze Zeit. So machte ich mich also an die mühevolle Arbeit. Drei volle Tage stand ich mit der Poliermaschine (danke an Alex und Nadine) auf der Leiter und freute mich über jeden Abschnitt, auf dem sich nun der Himmel im Bootsrumpf spiegelte. Gleichzeitig sah ich aber auch jeden Makel, vom kleinen Kratzer bis hin zu den zwei großen Schrammen, bei denen ich mich immer frage, was da wohl mal passiert ist. Sie hat schon viel erlebt, meine GITANA.
Während ich GITANA auf Herz und Nieren prüfte, fiel mir auf, dass die Propellerwelle achtern, wo sie aus dem Boot austritt, recht viel Spiel hatte. Ignorieren? Wäre das bequemste. Aber da war so ein lautes Geräusch letztes Jahr, immer wieder, wenn der Motor lief. Kann es sein, dass das Lager ausgeschlagen ist? Ja, das ist wohl eindeutig so. Ich mache es kurz: das Lager hält die Propellerwelle im Stevenrohr in Position. Es sitzt dort sehr fest drinnen. Meist besteht die einzige Möglichkeit zum Wechseln des Lagers darin, das alte herauszusägen. Ich habe drei Tage gesägt. Mit der Hand. Bei 27°C. Ich hoffe inständig, dass das neue Propellerwellenlager für weitere 30 Jahre hält. Und ich bedanke mich ganz herzlich beim Team vom Jochen Schoenicke Skipperteam, die mir den Propeller von der Welle entfernt haben und immer wieder geguckt haben, ob sie mir noch irgendwas helfen können. Aber mir war nicht mehr zu helfen, nach drei Tagen war das alte Ding raus und das neue drinnen und der Unterschied war spürbar.
Nachdem wir die Kurbelwelle des Motors zurück hatten, ging alles recht zügig. Wir setzten den Motor wieder zusammen und erneuerten dabei alle Dichtungen. Das Wort „Zylinderkopfdichtung“ hörte sich vor dieser Aktion für mich immer an wie frisch aus einem Horrorfilm entsprungen, verbunden mit viel viel Geld oder gleich einem neuen Motor (sofern sie hinüber ist). Inzwischen weiß ich, was die Zylinderkopfdichtung macht und dass sie sehr hübsch ist, wenn sie so neu auf dem Zylinderkopf liegt. Ich weiß auch, mit welchen Anzugsmomenten man welche Größe Schrauben anzieht. Als ich GITANA kaufte, stellte ich immer wieder fest, dass Vieles viel zu fest angezogen war – nicht nur die Schrauben. Der Vorbesitzer hatte eine Vorliebe dafür, die Dinge so fest wie nur irgend möglich anzubrummen. Doch wir wissen ja alle: nach fest kommt ab und da hilft auch kein Antibrumm…
Als alles zusammengesetzt war, starteten wir einen Probelauf bei Robert vor der Garage. Zunächst testeten wir, ob der Motor überhaupt anspringt – was er zur Freude aller Beteiligten auch tat. Das ist schon ein tolles Gefühl, wenn man so einen Motor in all seine Einzelteile zerlegt hat und ihn dann wieder zusammengesetzt hat und er dann einfach so wieder anspringt. Die paar Diesel-Lecks waren schnell behoben, überwiegend waren es Schrauben, die noch nicht fest genug angezogen waren.
Als nächstes füllten wir den inneren Kühlkreislauf mit Wasser und starteten den Motor erneut. An einigen Stellen spritze das Kühlwasser heraus, ich kontrollierte die verbauten Dichtungen und fand meine Fehler recht schnell. Das Gleiche taten wir anschließend mit dem äußeren Kühlkreislauf, auch hier hatte ich zwei falsche Dichtungen an den Rohren eingesetzt, was ich aber schnell beheben konnte.
Wenn ihr in Hamburg oder Umgebung seid und auch gern einmal private Hilfe bei eurem Motor benötigt, dann kontaktiert Robert gerne unter robert@blauwasser.de oder besucht eins der Seminare, mir haben sie sehr gelholfen um überhaupt ein Verständnis für den Motor zu bekommen.
Am nächsten Morgen fuhr ich den Motor zurück zum Boot, wo die Werft ihn mit dem Kran wieder ins Boot hob. Den Motorraum hatte ich mittlerweile auch renoviert, alle Dämmplatten waren neu und die Motorbilge war frisch gestrichen. Bis alles wieder befestigt, verkabelt und verschlaucht war, dauerte es weitere 48 Stunden, doch dann war der große Tag da. Nach neun Monaten wurde GITANA endlich wieder ihrem Element zugeführt. Der Moment, in dem sie hoch oben am Kran schwebt, ist immer wieder angsteinflößend. Der Moment, wo dann ihre Flügel das Wasser berühren, ist umso schöner. Ein schneller Check im Boot, alles ist wasserdicht. Der Mast wird gestellt, der Motor springt an. Zusammen mit meinem guten Freund Rick bringe ich GITANA an ihren vorübergehenden Liegeplatz beim SVFH in Finkenwerder. Eine Woche vor Abfahrtstermin schwimmen wir!
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